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Rechtsprechung rund um den Pflichtteil

BGH: Zu den Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis
Urteil vom 20.05.2020 - IV ZR 193/19-

Der Fall

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte die Erbin dem Pflichtteilsberechtigten ein notarielles Nachlassverzeichnis vorgelegt, in dem der Notar vermerkt hatte, dass er zu einem in Österreich geführten Konto keine Ermittlungen habe anstellen können, weil die Erbin ihm dazu keine Vollmacht erteilt hatte. Dem Nachlassverzeichnis beigefügt war allerdings das Protokoll der sogenannten Verlassenschaftsabhandlung eines österreichischen Notars. Darin wurde das Konto unter den Aktiva aufgeführt mit einer zusätzlichen Erklärung der Erbin gegenüber dem österreichischen Notar, sonstiges Nachlassvermögen in Österreich sei nicht vorhanden.

Der Pflichtteilsberechtigte sah dies als unzureichend an und betrieb gegen die Erbin die Zwangsvollstreckung, um sie zur Erteilung weiterer Auskünfte zu zwingen. Hiergegen wandte sich die Erbin mit einer Vollstreckungsgegenklage. Vor dem Amtsgericht hatte sie damit zunächst Erfolg. Landgericht und Bundesgerichtshof bestätigten allerdings die Auffassung des Pflichtteilsberechtigten.

Die Entscheidung des BGH

Im Kern bestätigt der BGH, dass der Erbe in bestimmten Fällen Ergänzung bzw. Berichtigung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verlangen kann, wenn z.B.

  • im Nachlassverzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen - etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Auskunftspflichtigen - nicht aufgeführt ist, 
  • wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen, 
  • wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Erben entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat oder 
  • sich der Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt. 

Die Angaben zu dem Konto in Österreich waren nach Auffassung des BGH trotz des Protokolls des österreichischen Notars für unzureichend, weil im Rahmen der Verlassenschaftsabhandlung keine eigenen Ermittlungen des Notars erfolgen, sondern dieser sich allein auf die Angaben des Erben stütze. Deshalb habe dieses Protokoll nicht die gleiche Qualität wie eigene Ermittlungen des Notars.

Ausdrücklich betont der BGH in seiner Entscheidung die Pflicht des Notars zu eigenen Ermittlungen: Zwar darf der Notar zunächst (!) von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. Der BGH betont jedoch:

"Allerdings darf er (Anm: der Notar) sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen."

Im Rahmen seiner Ausführungen bezieht sich der BGH außerdem ausdrücklich auf zwei Entscheidungen des OLG Koblenz (Beschl. v. 18.3.2014 – 2 W 495/13 und Beschluss vom 30.04.2018 - 1 W 65/18, in denen das Gericht u.a. folgende Tätigkeiten als denkbare eigene Ermittlungstätigkeiten des Notars angesehen hatte:

  • Einsichtnahme in die (vollständigen) Kontoauszüge, Sparbücher und Bankunterlagen der letzten 10 Jahre
  • eigene Ermittlung von Grundbesitz,
  • Veranlassung der Einholung von Bewertungsgutachten durch den Auskunftsverpflichteten,
  • Überprüfung eingeholter Wertgutachten auf Plausibilität,
  • Einholung einer Vollmacht des Auskunftsverpflichteten, bei Bankinstituten (einschließlich Sparkassen), die in der Nähe des letzten Wohnortes des Erblassers eine Zweigstelle unterhalten, anzufragen, ob im genannten 10-Jahres-Zeitraum eine Kundenverbindung zum Erblasser bestanden habe, nebst entsprechender Anfrage,
  • Zusammenstellung der einen bestimmten Betrag übersteigenden Verfügungen über die ermittelten Konten, soweit diesen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen zugrunde liegen (könnten).
Wie sowohl der BGH als auch das OLG Koblenz betonen, hat der Notar bei der Frage, welche Ermittlungstätigkeiten im konkreten Fall geboten sind, zwar einen gewissen Ermessensspielraum. Allerdings hat der Notar, wie es der BGH formuliert,

„…diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.“

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des BGH ist uneingeschränkt zu begrüßen. Sie stärkt die Qualität notarieller Nachlassverzeichnisse, wie sie vom Gesetzgeber auch intendiert ist. Denn auf die Richtigkeit eines notariellen Nachlassverzeichnisses soll der Pflichtteilsberechtigte mehr vertrauen können als auf von den Erben selbst erteilte Auskünfte, weil das notarielle Verzeichnis von einer unabhängigen Amtsperson ermittelt wurde und deshalb nicht zu befürchten ist, dass Vermögenswerte mutwillig verschwiegen werden. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn der Notar sich nicht seinerseits auf Auskünfte der Erben beschränkt, sondern selbst die Nachforschungen anstellt, die ein objektiver Dritter für erforderlich halten würde.

Als Pflichtteilsberechtigter hat man dank der Klarstellungen des BGH nun ein scharfes Schwert in der Hand, um den Nachlassumfang notariell feststellen zu lassen. Notare dürfen sich eben nicht darauf beschränken, die Erklärungen des Erben in der Urkunde wiederzugeben, sondern sie müssen eigene Ermittlungen anstellen. Diese Ermittlungstätigkeit ist in der Urkunde auch konkret zu schildern. Ergeben sich die Ermittlungstätigkeiten des Notars nicht aus der Urkunde und/oder bezieht sich der Notar nur auf Angaben des Erben, ist das Verzeichnis unzureichend.

Erfüllung einer tenorierten Pflicht des Erben zur Auskunftserteilung über den Nachlassbestand
OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.01.2019
(Quelle: Beck RS 2019, 713)

Der Fall

Die Pflichtteilsberechtigte betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Teil-Anerkenntnisurteil, in welchem die Schuldnerin verpflichtet worden ist, Auskunft über den Bestand des Nachlasses, insbesondere auch über den Wert eines Grundstücks zu erteilen.

Der von der Gläubigerin gestellte Zwangsgeldantrag wurde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie behauptet, der Notar, welcher das Nachlassverzeichnis erstellt hat, hätte das Sachverständigengutachten über den Wert des Grundstücks in seinem notariellen Nachlassverzeichnis berücksichtigen müssen. Das Verzeichnis enthalte weder Angaben zum Grundstück noch Angaben zu Schenkungen in den letzten 10 Jahren vor Eintritt des Erbfalls.

Die Entscheidung

Ziel des Auskunftsanspruchs ist es, die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs zu ermöglichen. Die Auskunftsverpflichtung des Erben erstreckt sich dabei auf den Bestand des Nachlasses sowie auf den fiktiven Nachlassbestand, soweit er für die Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen von Bedeutung sein kann.

Der Notar ist im Rahmen der Erfüllung des Auskunftsanspruchs gem. § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB für den Inhalt des von ihm erstellten Bestandsverzeichnisses verantwortlich und hat den Nachlassbestand insoweit selbst zu ermitteln.

Diese Ermittlungspflicht des Notars betrifft jedoch nur den Auskunftsanspruch. Der Wertermittlungsanspruch ist davon unabhängig und unterliegt nicht der Ermittlungspflicht des Notars. Dieser ist auch nicht zur Einholung von Wertermittlungsgutachten oder zu deren Überprüfung verpflichtet. Der Wertermittlungsanspruch bezieht sich allein auf die objektive Bewertung des jeweiligen Nachlassgegenstandes.

Dabei kann der Pflichtteilsberechtigte wählen, ob er die für die Bewertung erforderlichen Unterlagen einsehen und selbst eine Bewertung veranlassen will oder ob er den Erben auf Kosten des Nachlasses eine Bewertung vornehmen lässt. Der Anspruch, dass diese Bewertung des Sachverständigen im notariellen Verzeichnis aufgeführt wird, besteht jedoch nicht.

Fazit für den Pflichtteilsberechtigten

Der Auskunftsanspruch ist vom Wertermittlungsanspruch nach §2314 Abs. 1 Satz 2 BGB zu trennen. Die Pflicht des Notars bei der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses sowie seiner dahingehend eigenen Ermittlungsverpflichtung bezieht sich nur auf den Auskunfts-, nicht auch auf den Wertermittlungsanspruch.

Der Pflichtteilsberechtigte hat in Bezug auf den Wertermittlungsanspruch ein Wahlrecht. Er kann entweder die für die Bewertung erforderlichen Unterlagen einsehen und eine Bewertung selbst veranlassen oder den Erben auf Kosten des Nachlasses eine Bewertung vornehmen lassen.

Ermittlungspflicht des Notars für Nachlassverzeichnis bei Wertdifferenzen
Urteil des LG Berlin vom 11.12.2018
(Quelle: NJW-Spezial 2019, 136)

Der Fall

Der Erblasser hinterließ seine alleinerbende Witwe und drei Söhne. Ein Sohn klagte seinen Pflichtteil ein. Auskunft wurde im Rahmen eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt. Am Todestag waren ca. 200.000,00 Euro vorhanden. Der Erblasser hatte jedoch ca. 3,5 Jahre vor seinem Tod eine Immobilie für 1,5 Mio. Euro verkauft. Hierzu konnte die Erbin dem Notar jedoch keine Auskünfte geben. Dem Nachlassverzeichnis war lediglich eine Erbschaftsteuerkontrollmeldung nach § 33 ErbStG, nicht jedoch Kontoauszüge beigefügt.

Die Entscheidung

Das Landgericht Berlin entschied, dass das vorgelegte Nachlassverzeichnis den klageweisen geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht erfülle. Allein die Wiedergabe der Aussagen der Erbin in der Urkunde reichen für ein notarielles Nachlassverzeichnis nicht aus. Der Notar habe vielmehr eigene Ermittlungen anzustellen, die sich auch auf den fiktiven Nachlass erstrecken. Jedenfalls dann, wenn sich konkrete Anhaltspunkte ergeben, muss der Notar jeweils einzelfallabhängig und nach eigenem Ermessen seine Ermittlungstätigkeit ausführen.

„Dazu ist zu überlegen, welche naheliegenden Nachforschungen ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich hielte.“ Gerade bei substantiierten Hinweisen des Pflichtteilsgläubigers auf mögliche weitere, bisher nicht angegebene Vermögenswerte oder lebzeitige Schenkungen des Erblassers hat der Notar weitere Ermittlungen zu tätigen.

Fazit für den Pflichtteilsberechtigten

Soweit der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis oder Anhaltspunkte für Vermögen oder lebzeitige Schenkungen des Erblassers hat, ist er gut beraten, dieses Wissen oder seine Vermutung mit dem Notar zu teilen. Dem Notar liegen dann im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte vor, die ihn verpflichten, Ermittlungstätigkeiten in entsprechender Hinsicht vorzunehmen.

Fristen beim Pflichtteilsergänzungsanspruch verfassungsgemäß
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26.11.2018
(Quelle NZFam 2019, 168)

Der Fall

Der Sohn des Erblassers aus erster Ehe hatte gegen dessen Erben, die zweite Ehefrau des Erblassers sowie deren gemeinsamen Sohn, Pflichtteilsansprüche geltend gemacht. Der Wert einer Mietimmobilie, die der Erblasser seiner zweiten Ehefrau mehr als zehn Jahre vor seinem Tod schenkungsweise übertragen hatte, sei pflichtteilsergänzungsrelevant, entschied das Landgericht Berlin.

Hiergegen legten die Erben Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Sie vertraten die Ansicht, dass §2325 Abs. 3 Satz 3 BGB verfassungswidrig sei. Nach diesem Paragrafen sind Schenkungen an den Ehegatten immer pflichtteilsergänzungsrelevant. Eine Abschmelzung des Schenkungswertes wie bei Schenkungen an Dritte beginnt erst ab dem Zeitpunkt der Auflösung der Ehe. Eine entsprechende Regelung benachteilige Ehegatten und verstößt somit gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

Die Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie unbegründet sei. Es liege weder ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG vor, noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

„Art. 6 Abs. 1 GG verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen.“

Für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter müssen sich jedoch aus der Natur des geltenden Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben. Solche liegen hier aber gerade nicht vor: „§ 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB bewirkt keine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Schenkungen an Ehegatten und Schenkungen an Dritte […] im Rahmen der Pflichtteilsergänzung.“

Bei Schenkungen an Ehegatten besteht typischerweise eine dauerhafte Erwartung der Weiternutzungsmöglichkeit, die bei Schenkungen an nicht eheliche Lebensgefährten, Kinder und Dritte nicht gegeben ist. Der Gesetzgeber hat insofern von seinem rechtmäßigen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Es ist regelmäßig so, dass der Ehegatte weiterhin durch eine Schenkung (oder unbenannte Zuwendung) an den Nutzungen des Vermögens beteiligt ist.

Die übertragene Vermögensposition ist ihm somit wirtschaftlich nicht vollständig und endgültig entzogen. Ebenfalls im Falle eines Zugewinnausgleichs bei gesetzlichem Güterstand unterfällt die Schenkung oder unbenannte Zuwendung als übertragenes Vermögen dem Zugewinnausgleich.

„§2325 Abs. 3 Satz 3 BGB sorgt [insofern] für einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen dem hinterbliebenen Ehegatten und den sonstigen der Familie des Erblassers zugehörigen Pflichtteilsberechtigten.“

Fazit für den Pflichtteilsberechtigten

Mit dieser Entscheidung stärkt das Bundesverfassungsgericht einmal mehr das Pflichtteilsrecht. Das Gericht wiederholt explizit, „das Pflichtteilsrecht gewährleistet die verfassungsrechtlich geschützte grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass.“

Damit ist die unterschiedliche Regelung der Ausschlussfristen des § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB der Ehegatten gegenüber den Kindern bzw. sonstigen Dritten sachlich gerechtfertigt.

Eine Klage auf Auskunft durch Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses hemmt auch die Verjährung des Anspruchs auf ein notarielles Nachlassverzeichnis
BGH, Urteil vom 31.10.2018, IV ZR 313/17

Der Fall

Die pflichtteilsberechtigte Enkelin (ihr Vater war vorverstorben) machte Pflichtteilsansprüche gegen ihre beiden Tanten geltend. Im Wege der Stufenklage forderte sie zunächst die Vorlage eines von den Beklagten unterschriebenen Bestandsverzeichnisses, später fasste die Klägerin den Antrag so, dass sie nunmehr die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses begehrte. Hiergegen wandten die Beklagten ein, dass der ursprünglich nicht geltend gemachte Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nunmehr verjährt sei.

Die Entscheidung

Grundsätzlich ist man berechtigt, auch nach privatschriftlicher Auskunftserteilung ein Nachlassverzeichnis in notarieller Form zu verlangen. Hierfür müssen keine besonderen Voraussetzungen oder eine Begründung vorliegen. Auch der Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses wird gehemmt, wenn zunächst nur ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis gefordert wurde. Der neue Antrag war somit auch nicht verjährt. Bei dem Anspruch auf Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses und bei dem auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses handelt es sich um verschiedene Ausprägungen desselben Auskunftsanspruchs.

Der Bundesgerichtshof stellte außerdem fest, dass die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs gehemmt wird, wenn zuerst lediglich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht wurde. Zwar sind beide Ansprüche grundsätzlich selbständig, die ausnahmsweise Erweiterung der Verjährungshemmung ist jedoch dann möglich, wenn die Ansprüche wesensgleich sind, der zur Begründung des Anspruchs vorgetragene Lebenssachverhalt in seinem Kern gleich ist und beide Ansprüche dasselbe Endziel verfolgen. Der Auskunftsanspruch ist auf die Weitergabe von Wissen gerichtet, welches der Verpflichtete entweder hat oder sich verschaffen muss. Der Wertermittlungsanspruch hingegen ist von dem Wissen und den Vorstellungen des Verpflichteten unabhängig. Er ist vielmehr darauf gerichtet, dass der Verpflichtete Unterlagen vorlegt und eine von seiner eigenen Wertvorstellung unabhängige Wertermittlung duldet und veranlasst, so z.B. ein Sachverständigengutachten über den Wert einer Immobilie.

Fazit für den Pflichtteilsberechtigten

Soweit durch Klage die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs oder des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gehemmt ist, ist auch die Verjährung für den jeweils anderen Anspruch gehemmt. Jedoch müssen alle für den Anspruch notwendigen Tatsachen bereits vorgetragen sein. Unabhängig davon, ob bereits ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis gefordert oder vorgelegt wurde, kann der Pflichtteilsberechtigte jederzeit auch ein notarielles Nachlassverzeichnis fordern. Der Auskunftsanspruch und der Wertermittlungsanspruch sind unabhängig voneinander.

Auslösung einer Pflichtteilsstrafklausel durch Forderung einer Abschlagszahlung
Beschluss des OLG Köln vom 27.09.2018
(Quelle JuS 2019, 260)

Der Fall

Die Ehegatten setzten sich in einem sog. Berliner Testament gegenseitig zu Alleinerben ein, deren vier Kinder sollten nach dem Tod des Längstlebenden das Vermögen zu gleichen Teilen erben. Das Testament enthielt eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel, wonach derjenige Abkömmling, der nach dem ersten Erbfall seinen Pflichtteil fordert, auch beim zweiten Erbfall nur den Pflichtteil verlangen können soll.

Nach dem Tod des Erstversterbenden forderte ein Abkömmling zunächst Auskunft über den Bestand und den Wert des Nachlasses durch Vorlage eines schriftlichen Verzeichnisses. Sodann schlug er vor, dass ausgehend von den ihm mitgeteilten Wertangaben an ihn ein bestimmter Betrag bezahlt wird, der letztendlich auf sein Erbe angerechnet werden solle.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Köln entschied, dass die Pflichtteilsstrafklausel durch die Zahlungsforderung ausgelöst wurde. Für die Auslösung ist in subjektiver Hinsicht erforderlich, dass der Pflichtteil in Kenntnis der Verwirkungsklausel bewusst geltend gemacht wird. In objektiver Hinsicht muss die Forderung auf Zahlung ausdrücklich und ernsthaft erhoben werden. Dabei ist es keine Voraussetzung, dass es tatsächlich zu einer Auszahlung oder sonstigen Abfindung kommt.

Da vorliegend in objektiver Hinsicht ernsthaft und ausdrücklich eine Zahlung gefordert wurde, ist es unerheblich, dass der Anwalt des Beteiligten in seinem Schreiben ausgeführt hatte, dass die Forderung nicht als formale Geltendmachung des Pflichtteils zu verstehen sei.

Fazit für den Pflichtteilsberechtigten

Das Vorliegen einer sogenannten Pflichtteilsstrafklausel erfordert stets eine sorgfältige Einzelfallprüfung, um unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden. Eine unbedachte Anfrage oder angedeutete Forderung kann bereits als Geltendmachung des Pflichtteils ausgelegt werden, sodass auch nach dem Längerlebenden lediglich der Pflichtteil gefordert werden kann.

Ein Zuwiderhalten gegen die Strafklausel kann bereits dann bejaht werden, wenn der Pflichtteil von Abkömmlingen bewusst und ernsthaft in Kenntnis der Pflichtteilsstrafklausel geltend gemacht wird. Das reine Auskunftsverlangen reicht dafür grundsätzlich noch nicht aus, auf den letztendlichen Erfolg der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs kommt es hingegen auch nicht an.

Unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten sind auch dann pflichtteilsergänzungsrelevant, wenn eine klassische Schenkung unter Ehegatten mangels Einigkeit über die Unentgeltlichkeit nicht vorliegt
Urteil des BGH vom 14.03.2018
(Quelle: ZEV 2018, 274)

Der Fall

Die Söhne des Erblassers verklagten ihre Stiefmutter auf Zahlung des Pflichtteils. Sie machten insbesondere Pflichtteilsergänzungsansprüche bzgl. eines Hausgrundstückes geltend. Der Erblasser und die Beklagte errichteten auf einer Teilfläche ein Einfamilienhaus und nahmen zur Finanzierung gemeinsam ein Bankdarlehen auf. Sowohl die Ratenzahlungen als auch die Zinslast wurden in der Folgezeit alleine vom Erblasser getilgt. Es war strittig, ob die als „ehebedingte Zuwendung“ bezeichnete Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück vom Erblasser auf die Beklagte sowie die allein vom Erblasser geleisteten Zahlungen auf das gemeinsame Darlehen pflichtteilsrelevant waren.

Die Entscheidung

Der BGH entschied, dass grundsätzlich auch sogenannte ehebedingte Zuwendungen Pflichtteilsansprüche nach § 2325 BGB auslösen und zwar unabhängig von einer Einigung der Eheleute über ihre Unentgeltlichkeit.

„Eine ergänzungspflichtige Schenkung [liegt vor], wenn der ohne wirtschaftlichen Gegenwert erfolgte Vermögensabfluss beim Erblasser zu einer materiell-rechtlichen, dauerhaften […] oder formalen Vermögensmehrung des Empfängers geführt hat.“

Andernfalls könnten ehebedingte Zuwendungen dem Schutz enterbter Kinder durch § 2325 BGB entzogen werden. Eine solche Zuwendung löst nur dann keine Pflichtteilsergänzungsansprüche aus, wenn diese entgeltlich ist, also eine Gegenleistung beinhaltet. Ein Beispiel ist der Unterhaltsanspruch bei intakter Ehe oder die Alterssicherung. Zinsleistungen auf das gemeinsame Darlehen können ebenfalls ehebedingte Zuwendungen und somit pflichtteilsergänzungsrelevant sein, wenn diese für den Ehepartner unentgeltlich geleistet wurden.

Die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück erfolgte unentgeltlich und ist somit komplett pflichtteilergänzungsrelevant. Die allein vom Erblasser geleisteten Zahlungen auf das Darlehen stellen hingegen keine eigenständige Schenkung dar, da dieser Finanzierungsbeitrag sich bereits im Wert des übertragenen Miteigentumsanteils wiederspiegelt. Die Zinsverbindlichkeit der Eheleute für das gemeinsame Darlehen bestand gesamtschuldnerisch. Sie flossen nicht in den Wert des Grundstücks ein, sondern bestanden unabhängig davon, welcher Gegenstand mit dem zugrundeliegenden Darlehen finanziert wurde.

Zinsverbindlichkeiten sind insofern nur dann eine unentgeltliche ehebedingte Zuwendung, wenn zwischen den Eheleuten eine Übereinkunft bestand, dass für die Zahlungen auf die gemeinsame Gesamtschuld kein Ausgleich geleistet werden muss.

Fazit für den Pflichtteilsberechtigten

Der BGH hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach auch ehebedingte Zuwendungen Pflichtteilsansprüche auslösen. Somit sind grundsätzlich sämtliche Zuwendungen, die der Erblasser während seiner Ehe an seinen Ehegatten tätigt, für die Berechnung des Pflichtteils in Betracht zu ziehen.

Kein Pflichtteilsstreit vor einem Schiedsgericht
OLG München, Hinweisbeschluss vom 25.10.2017
(Quelle: ZEV 2018, 97)

Der Fall

Ein Erblasser hatte in seinem Testament bestimmt, dass Streitigkeiten über seinen Nachlass vor einem Schiedsgericht zu klären seien. Ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling des Erblassers klagte seine Pflichtteilsrechte ein. Die Erben rügten die Zulässigkeit der ordentlichen Gerichte mit dem Verweis auf die Schiedsklausel im Testament. Außerdem behaupteten die Erben, dass kein Anspruch auf ein notarielles Nachlassverzeichnis bestehe, sofern bereits ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis vorgelegt wurde.

Die Entscheidung

In seinem Hinweisbeschluss stellt das Oberlandesgericht (OLG) München klar, dass eine Schiedsklausel in einem Testament nur dann gültig ist, wenn diese Anordnung in der Verfügungsmacht des Erblassers liegt. Dies ist bei Fragen rund um das Pflichtteilsrecht nicht der Fall, da das Pflichtteilsrecht Grundrechtsschutz genießt und der Erblasser darüber demnach nicht verfügen kann. Eine Schiedsklausel, die der Erblasser in das Testament schreibt, würde den Pflichtteilsberechtigten in Bezug auf die Verfolgung und Durchsetzung seines Rechts beschränken und ist dem Erblasser somit verwehrt.

Das Gericht stellte außerdem klar, dass der Anspruch auf die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses neben dem Anspruch auf die Erstellung eines privaten Nachlassverzeichnisses besteht. Dafür bedarf es auch keiner besonderen Begründung. Die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses soll schließlich nicht nur die Erlangung weiterer Auskünfte ermöglichen, sondern vor allem die Gewähr einer höheren Richtigkeit bieten.

Fazit für den Pflichtteilsberechtigten

Ein Erblasser kann nicht anordnen, dass Pflichtteilsstreitigkeiten über seinen Nachlass vor einem Schiedsgericht verhandelt und von diesem entschieden werden sollen. In jedem Fall steht Pflichtteilsberechtigten der ordentliche Rechtsweg offen. Des Weiteren kann jeder Pflichtteilsberechtigte immer auch (zusätzlich) ein notarielles Nachlassverzeichnis fordern – und zwar unabhängig davon, ob bereits ein privates Nachlassverzeichnis gefordert und vorgelegt wurde.

Bundesverfassungsgericht bestätigt Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis
Beschluss des BVerfG vom 25.04.2016
(Quelle: NJW 2016, 2943) 

Der Fall

Der Pflichtteilsberechtigte hatte Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Er sah sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht durch ein mangelhaftes notarielles Nachlassverzeichnis verletzt. Denn das erteilte notarielle Nachlassverzeichnis ermöglichte es dem Pflichtteilsberechtigten nicht, etwaige weitere ausgleichspflichtige Ansprüche zu erkennen.

Die Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da keine generelle Vernachlässigung von Grundrechten gegeben war. Aus der Ablehnungsbegründung geht jedoch hervor, dass das BVerfG rechtliche Bedenken gegen die Auslegung der Rechtsprechung der Ausgangsgerichte zu diesem Thema bestehen. Die Auskunftspflicht des § 2314 BGB sei auf die Weitergabe von Wissen gerichtet, das der Verpflichtete habe oder sich beschaffen müsse. Das notarielle Nachlassverzeichnis solle eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten als ein privates Verzeichnis. Dazu muss es von der Amtsperson selbst erstellt werden und darf nicht lediglich Erläuterungen des Erben protokollieren und beurkunden.  Außerdem muss der Notar selbstständige Ermittlungen anstellen und muss zum Ausdruck bringen, dass er das Bestandsverzeichnis aufgenommen hat. Dadurch übernimmt er für den Inhalt die Verantwortung.

Das Verfassungsgericht bestätigt in dieser Begründung außerdem eine Entscheidung des OLG Koblenz (NJW 2014, 1972). Darin hatte das OLG Koblenz festgestellt, dass der das Verzeichnis aufnehmende Notar bei einer begründeten Vermutung für pflichtteilsrelevante Schenkungen Einsicht in die vollständigen Kontoauszüge und sonstige Bankunterlagen für den gesamten Zeitraum der letzten 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers zu nehmen hat.

Fazit für den Pflichtteilsberechtigten

Ein notarielles Nachlassverzeichnis muss es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, etwaige weitere ausgleichspflichtige Ansprüche zu erkennen. Ist dies nicht der Fall, so verkürzt ein derartiges Nachlassverzeichnis den Gehalt der verfassungsrechtlich geschützten Erbrechtsgarantie, zu der auch das Pflichtteilsrecht gehört.

Gleichzeitig ist höchstrichterlich bestätigt worden, dass der Notar bei der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses eigene Ermittlungen anzustellen und im Nachlassverzeichnis anzugeben hat, dass er diese eigenen Ermittlungen angestellt hat.

Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis
OLG Koblenz, Beschluss vom 18.03.2014
(Quelle: NJW 2014, 1972)

Der Fall

Ein pflichtteilsberechtigter Sohn hatte gegen seine Mutter  Pflichtteilsansprüche gerichtlich geltend gemacht. Die Mutter wurde zur Auskunftserteilung durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt. Daraufhin gab die Mutter vor einem Notar eine Erklärung ab, in der sie die Aktiva und Passiva des Nachlasses ihres Ehemanns aufführt. Diese Erklärung der Mutter beurkundete der Notar durch seine Unterschrift. Die Mutter legte die Erklärung samt Unterschrift des Notars als notarielles Nachlassverzeichnis vor.

Die Entscheidung

Eine private Erklärung, die durch einen Notar beurkundet wurde, erfüllt nicht die Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis i.S.d. § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB. Der Notar muss vielmehr darlegen, dass er eigene Feststellungen zu dem Bestand des Nachlasses getroffen hat und das Ergebnis dieser eigenen Ermittlungen in der Urkunde niederlegen. Er muss in der Urkunde auch zum Ausdruck bringen, dass weitere Nachlassgegenstände nicht vorhanden sind. Hintergrund der eigenen Ermittlungspflichten des Notars bei der Aufnahme eines notariellen Nachlasszeugnisses ist, dass der Notar als Amtsperson dem Pflichtteilsberechtigten einen höheren Grad an Richtigkeit der Auskunft gewährleisten soll als die Privatauskunft des Erben.

Das OLG Koblenz führt eine Liste mit Beispielen von eigenen Ermittlungstätigkeiten des Notars auf, wonach beispielsweise die Einsichtnahme in die vollständigen Kontoauszüge für einen Zeitraum von 10 Jahren oder eigene Ermittlungen vom Grundbesitz zu tätigen sind.

Ferner stellt das OLG Koblenz klar, dass die Erfüllung des Auskunftsanspruchs nicht deshalb unmöglich sei, weil es im Einzelfall schwer sein kann, einen Notar zu finden, der bereit ist, ein notarielles Nachlassverzeichnis aufzunehmen.

Fazit für den Pflichtteilsberechtigten

In dieser Entscheidung wird erstmals ein Beispielskatalog gerichtlich aufgestellt, der als Orientierung für die eigenen Ermittlungspflichten eines Notars bei der Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses dient. In jedem Falle ist der Notar verpflichtet, seine Ermittlungen aufgrund der Umstände des Einzelfalls auszuführen. In den meisten Fällen beinhaltet dies eine Nachfrage bei den Banken, Sparkassen und Kreditinstituten sowie die Ermittlung von Grundbesitz.

Pflichtteilsberechtigte müssen Werthaltigkeit des Nachlasses darlegen und beweisen
Urteil des BGH vom 10.03.2010
(Quelle: NJW-RR 2010, 1378)

Der Fall

Die Kinder des Erblassers verklagten ihre Stiefmutter auf Zahlung des Pflichtteils. Die Stiefmutter legte ein Nachlassverzeichnis vor, auf Grundlage dessen die Kinder einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von einigen wenigen tausend Euro errechneten und diesen klageweise geltend machten. Die Beklagte wandte während des Verfahrens ein, dass weitere Belege aufgefunden wurden. Sie konnte belegen, dass Verbindlichkeiten des Erblassers in Höhe von mehreren tausend Euro bestanden. Diese Verbindlichkeiten führten dazu, dass der Nachlass überschuldet war und somit ein Pflichtteil mangels Nachlassmasse nicht gefordert werden konnte. In dem Verfahren forderten die Kinder, dass deren Stiefmutter das Bestehen dieser Forderungen voll beweisen müsste, da sie zunächst ein schuldhaft unvollständiges oder falsches Nachlassverzeichnis vorgelegt habe. Sie forderten weiterhin ihren ursprünglich geltend gemachten Pflichtteilsanspruch.

Die Entscheidung

Die Klage wurde abgewiesen, da der Nachlass überschuldet war. Dass sich die Überschuldung des Nachlasses erst in dem Verfahren herausgestellt habe, war unschädlich. Darlegungs- und beweispflichtig für die Werthaltigkeit des Nachlasses sind die Pflichtteilsberechtigten als Kläger. Dies entspricht der grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislast. Folglich haben die Pflichtteilsberechtigten auch darzulegen und zu beweisen, dass die von der Gegenseite hinreichend substantiiert geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten nicht bestehen. Hieran ändert auch die zunächst objektiv unrichtige Angabe der Beklagten im außergerichtlich vorgelegten Nachlassverzeichnis nichts. Dieser Umstand führt nicht zu einer Beweislastumkehr.

Fazit für den Pflichtteilsberechtigten

Auch nach diesem Urteil bleibt es für den Pflichtteilsberechtigten bei den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast, wonach derjenige, der aus einer ihm günstigen Norm Rechte herleitet deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen hat.

Sie können sich als Pflichtteilsberechtigter also nicht einfach darauf berufen, dass der Erbe unvollständige oder unrichtige Angaben im Nachlassverzeichnis gemacht hat, die dazu führen würden, dass er nunmehr das Vorliegen von Tatsachen beweisen müsste, die für den Erben günstig sind. Sofern der Erbe diese Tatsachen substantiiert vorgetragen hat, ist es  Sache des Pflichtteilsberechtigten, diese zu widerlegen.

Vorläufiger Rechtsschutz gegen Auskunftsbegehren im Pflichtteilsstreit
Beschluss des BVerfG vom 06.02.2003
(Quelle: NJOZ 2005, 2093)

Der Fall

Geklagt hatte ein Sohn als pflichtteilsberechtigtes Kind des Erblassers gegen seine Mutter als Alleinerbin auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Die Erbin wurde durch zivilgerichtliche Urteile zur Erteilung einer entsprechenden Auskunft gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten verpflichtet. Daraufhin beantragte sie vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um die Zwangsvollstreckung auszusetzen. Die Mutter rügte u.a. eine Verletzung ihres Grundrechts und das des Erblassers auf Gewährleistung des Erbrechts.

Die Entscheidung

Bei einer einstweiligen Anordnung wägt das Bundesverfassungsgericht die Folgen bei dem jeweils möglichen Ausgang des Verfahrens, also erfolgreich oder erfolglos, gegeneinander ab. Die Auswirkungen einer vorläufigen Aussetzung der Zwangsvollstreckung sind denjenigen bei Durchsetzung des Auskunftsanspruchs gegenüberzustellen. Hier war insbesondere auf Seiten der Mutter zu prüfen, ob ihr ein endgültiger und nicht wiedergutzumachender Nachteil entstünde, wenn sich die angefochtenen Entscheidungen als verfassungswidrig erweisen sollten. Das Gericht verneinte dies.

Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung greift nicht unmittelbar in ihre Vermögenspositionen ein, da diese lediglich eine Vorstufe für den eigentlichen Pflichtteilsanspruch ist. Die von der Mutter vorgetragenen Nachteile, die aus einer Zwangsvollstreckung resultieren, müssen außer Betracht bleiben, da diese nur dann drohen, wenn sie ihrer gerichtlich festgesetzten Auskunftspflicht nicht nachkommt. Erginge hingegen die einstweilige Anordnung, so wäre der Pflichtteilsberechtigte für die Dauer der verfassungsrechtlichen Prüfung gehindert, die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil zu betreiben. Die dadurch entstehende zeitliche Verzögerung könnte es erschweren, den Bestand und den Wert des Nachlasses zu ermitteln.

Fazit für den Pflichtteilsberechtigten

Die für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs vorbereitende Auskunftserteilung durch den Erben stellt für diesen weder vermögensrechtlich noch tatsächlich einen erheblichen Nachteil dar. Folglich kann der Erbe sich auch nicht auf einen Nachteil berufen, der es ihm ermöglichen würde, die Zwangsvollstreckung in die Erteilung dieser Auskunft durch einstweilige Anordnung auszusetzen. Es ist vielmehr das gute Recht des Pflichtteilsberechtigten, Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu bekommen und ein entsprechendes Urteil auch im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen.